Gewaltprävention durch sportorientierte Jugendsozialarbeit in Berlin: Neuer Schub für GSJ-NIGHTS und KICK-Projekt – Zukunft ungewiss

Geschrieben von lauriac am in Allgemein

Gewaltvorfälle unter Jugendlichen in Berlin sind in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Besonders die Silvesternacht 2022/23, in der Jugendliche Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst massiv mit Feuerwerkskörpern angriffen, sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Ähnliche Vorfälle ereigneten sich zum Jahreswechsel 2024/25 erneut.

Als Reaktion darauf initiierte die Berliner Landesregierung einen Dialogprozess (Frühjahr bis Sommer 2023) mit verschiedenen Beteiligten, darunter auch die GSJ. Ziel war es, Maßnahmen zur Gewaltprävention zu entwickeln und diese mit Fördergeldern zu unterstützen.

Die GSJ ist seit 30 Jahren Vorreiterin in der Verbindung von Sport und Sozialer Arbeit, um Gewaltprävention gezielt umzusetzen. Zwei zentrale Projekte sind dabei:

  • KICK – Sport gegen Jugenddelinquenz: Als Pionier in diesem Feld vor über 30 Jahren[1] gestartet, agiert KICK im Bereich der frühen Prävention. Das Angebot will junge „gefährdete“ Menschen in einem frühen Stadium erreichen und ihnen verschiedenste Formen der Hilfe und Unterstützung bieten – auch in Form einer breiten regionalen Kooperation.
  • GSJ-NIGHTS („Mitternachtssport“): Die NIGHTS sind ein niedrigschwelliges Sportangebot, das vor allem an Wochenenden in den Abend- und Nachtstunden stattfindet und eine Alternative zur Straße bzw. risikoreichem Peer-Verhalten bietet.

Dank zusätzlicher Fördermittel können beide Programme aktuell personell verstärkt und auf weitere Standorte ausgeweitet werden.

Silvesterkrawalle 2022/23 und ihre Folgen

Die Eskalation von Gewalt in der Silvesternacht wirft grundlegende Fragen zur Sozialisation, Integration und Teilhabe junger Menschen in urbanen Räumen auf. Politik, Gesellschaft und Wissenschaft analysieren seither verstärkt die Ursachen jugendlicher Gewalt, auch mit Blick auf ähnliche Vorfälle in den Sommerbädern.

Die Berliner Landesregierung reagierte Anfang 2023 mit einem Dialogprozess, der verschiedene Verwaltungen, Polizei, Justiz, Schulen und soziale Einrichtungen einbezog. Daraus resultierte ein Maßnahmenpaket, das explizit den Ausbau bereits bestehender Projekte ermöglichte, anstatt neue Projekte zu initiieren.

Eine zentrale Erkenntnis: Die Berliner Jugendsozialarbeit hat kein Wirkungs- oder Qualitätsproblem. Vielmehr sind fehlende Finanzierungssicherheit und Fachkräftemangel die größten Herausforderungen. Die aufgestockten Mittel ermöglichen u. a. längere Öffnungszeiten, den Ausbau erfolgreicher Angebote und eine gezieltere Ansprache neuer Zielgruppen.

Die sportorientierte Jugendsozialarbeit wird im Ergebnispapier[2] als gesonderter Punkt besonders gewürdigt. Als innovatives Konzept soll es junge Menschen erreichen, die sich von klassischer Jugend- oder Vereinsarbeit nicht angesprochen oder mitgenommen fühlen. Es wird dabei anerkannt, dass Sport- und Freizeitangebote nicht nur der körperlichen Betätigung dienen, sondern auch als Plattform für soziale Interaktion und für persönliche Entwicklung genutzt werden.

Dabei wirkt der Sport nicht per se. Ein spezielles pädagogisches Setting und spezifische Inszenierungen sind nötig, um die Potentiale des Sports zur Erreichung sozialpädagogischer Ziele zu nutzen. Die Angebote der GSJ realisieren entsprechend ausschließlich Fach- und Honorarkräfte. Diese arbeiten überwiegend in interdisziplinären Teams, bestehend aus Fachkräften der Sozialarbeit, des Sports, erzieherischen Fachkräften sowie weiteren spezifischen Professionen.

Für den Ausbau von KICK und GSJ NIGHTS sowie weitere niedrigschwellige Angebote der sportorientierten Jugendsozialarbeit stellte das Land Berlin für 2024 und 2025 jeweils 1,4 Millionen Euro bereit. Auch eine Verstetigung der Mittel über den Förderzeitraum hinaus war ein gesetztes Ziel der zuständigen Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie.

KICK – Bestehende Standorte stärken, neue Standorte erschließen

KICK existiert seit über 30 Jahren und bietet präventive Freizeit- und Sportangebote für Jugendliche, insbesondere für jene mit erhöhtem Gewalt- und Delinquenzrisiko. Die Angebote sind jedoch grundsätzlich für alle jungen Menschen offen.

KICK erfüllt eine wichtige Scharnierfunktion: Es vernetzt Jugendliche mit weiteren Unterstützungssystemen im Kiez und vermittelt an weiterführende Hilfsangebote. Ein besonderer Fokus liegt auf der Gewaltprävention in Schulen, da Konflikte zunehmend im schulischen Umfeld eskalieren. KICK setzt auf:

  • Frühzeitige Konfliktintervention in Schulen und Jugendeinrichtungen
  • Soziale Trainings für Schulklassen und Sportvereine
  • Präventionsarbeit und Schlichtungen im Sozialraum
  • Vermittlung in Sportvereine und Jugendeinrichtungen zur langfristigen sozialen Integration

Ein zentraler Bestandteil von KICK ist die Zusammenarbeit mit der Polizei, insbesondere durch polizeiliche Präventionsbeauftragte und Jugendsachbearbeitungen in jedem Polizeiabschnitt.
Gleichzeitig bleibt klar: Jugendsozialarbeit und Polizei haben unterschiedliche Rollen und sollten sich ergänzen, nicht ersetzen, um Vertrauen und niedrigschwelligen Zugang für Jugendliche zu gewährleisten.

Seit 2017 existiert zudem das KICK SchoolTeam, das speziell auf junge Geflüchtete in Willkommensklassen ausgerichtet ist. In Kooperation mit der Polizei werden mehrtägige Veranstaltungen angeboten, um soziale Kompetenzen und den Umgang mit Konflikten zu vermitteln.

Dank der neuen Fördermittel konnte KICK personell verstärkt und ein Standort im Bezirk Spandau aufgebaut werden.

Sportangebote in der Nacht: Strukturelle Barrieren und Potenziale

Jugendliche haben insbesondere abends und nachts ein erhöhtes Risiko, in gewalttätige Auseinandersetzungen oder kriminelle Aktivitäten verwickelt zu werden. Die Idee hinter dem Nachtsportangebot ist einfach, aber effektiv:

Sportangebote zu späten Abendstunden als Alternative zur Straße.

Besonders in dicht besiedelten Stadtteilen, wo Jugendliche auf öffentliche Räume angewiesen sind, können Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen von Nutzenden entstehen. Mitternachtssport bietet einen geschützten Rahmen, der zugleich:

  • Niedrigschwellig ist und Partizipation fördert
  • Eigenverantwortung und soziale Rücksichtnahme stärkt
  • Konfliktpotentiale entschärft und als Deeskalationsplattform dient

Entscheidend für den Erfolg ist die Betreuung durch geschulte Fachkräfte und Sozialarbeitende, die sowohl als sportlich Anleitende als auch als Bezugspersonen fungieren. Sie erkennen frühzeitig Konflikte und können deeskalierend eingreifen.

Eine zentrale Herausforderung bleibt jedoch: Der Zugang zu geeigneten Sporthallen.

Trotz der bereitgestellten Fördermittel bleibt es eine Herausforderung, ausreichend Hallenzeiten zu sichern, da viele Hallen bereits durch Schulen und Vereine stark frequentiert sind. Hier bedarf es langfristiger Lösungen, um das Angebot nachhaltig zu sichern.

Fazit: Zukunft ungewiss?

Die zusätzlichen Mittel für KICK und die GSJ NIGHTS sind eine wichtige Anerkennung der Gewaltpräventionsarbeit der GSJ. Doch bleibt die Frage offen, ob es gelingen wird, diese Mittel langfristig zu verstetigen und strukturelle Herausforderungen wie Fachkräftemangel und Sporthallennutzung zu lösen.

Forschungsergebnisse unterstreichen, dass Sport als Instrument der Gewaltprävention signifikantes Potenzial besitzt – allerdings nur unter der Voraussetzung einer gezielten sozialpädagogischen Einbindung. Die Fortführung und Ausweitung der Programme hängt daher entscheidend von einer langfristigen politischen und finanziellen Unterstützung ab.

Madleen Bernhardt und Max Weiß

Zum vollständigen Beitrag
Zur Veröffentlichung des Artikels bei MOBILEE-Magazin

[1]  KICK-Broschüre

[2] https://jugendhilfeportal.de/fileadmin/ergebnispapier-zum-2-gipfel-gegen-jugendgewalt-am-22-februar-2023__1_.pdf

veröffentlicht am: 6. März 2025

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